Wenn Sie mal zufällig von Moskau nach Rostow am Don fliegen, dann achten Sie beim Anflug auf ROV kurz vor der Landung auf den Friedhof. Auf welcher Seite des Flugzeuges Sie sitzen ist wurscht, denn der Северное кладбище Ростов-на-Дону (Nordfriedhof) ist so groß, den sehen Sie auf beiden Seiten des Fliegers, wobei ein Fensterplatz auf der rechten Seite ratsam ist.
Der Nordfriedhof von Rostow am Don ist die größte Grabstätte im europäischen Teil Russlands und eine der größten in ganz Europa, weswegen er einen eigenen Busverkehr hat. Über eine halbe Million Menschen haben dort seit 1972 ihre letzte Ruhe gefunden, wenn auch in der unruhigen Einflugschneise von ROV.
Noch unruhiger ist es seit dem letzten Jahr auf dem Nordfriedhof von Rostow am Don. Da ist der Friedhof in die Schlagzeilen geraten: „Suworow – es gibt ein Leben neben dem Friedhof„. Das Neubaugebiet „SUWOROW“ (rechts vom Landeanflug) reicht bis auf 500 Meter an den Friedhof heran, obwohl das Gesetz einen Mindestabstand von 1000 Meter fordert. So hat man aus dem 17. Stock für 1.258.425 Rubel aus seiner Einzimmerwohnung einen himmlischen Ausblick
… über die Gräber und weiter in die Obst- und Gemüseplantagen von Temernik.
Sie können den Friedhof mit dem Bus erreichen. Die Linie 43 fährt Sie bis zum Hinterausgang des Nordfriedhofs und da wollen Sie hin, es sei denn, sie wollen eine halbe Stunde zu Fuß vom Haupteingang an Hunderttausend Toten zum äußerst nordwestlichen Zipfel laufen. Dort tut sich was seit etwa Juni 2014. Da tauchten im Netz die ersten Meldungen darüber auf, dass auf dem Nordfriedhof eine seltsam hohe Zahl von Menschen ohne Namen beerdigt werden. Bis September 2014 waren es schon ca. 500, jetzt sind es weit über 3000, deren noch rohe Gräber meist mit «НМ» (unbekannter Mann)
manchmal auch mit «НЖ» (unbekannte Frau) gekennzeichnet sind und der Angabe: „20-40 Jahre alt“.
Nach Berichten in ukrainischen Medien ist die Gazeta der Sache nachgegangen und der wurden für den Bericht vom 1. April 2015 (die Jungs haben Humor 😛 ) gar seltsame Geschichten aufgetischt. In einem Jahr seien in Rostow 476 Menschen tot aufgefunden worden, deren Identität man nicht feststellen konnte. Der Nordfriedhof platzt aus allen Nähten, darum habe man sich entschieden, die Unbekannten jenseits der Straße zu begraben, die im Norden den Friedhof begrenzt.
Ja, es stimmt, dass Personen verhaftet wurden, die versucht haben, die Gräber zu fotografieren … usw. … 1. April halt.
Die Gazeta nennt es zwar nicht beim Namen, aber jeder weiß, was dort auf dem Nordfriedhof liegt: ГРУЗ 200, Cargo 200, Fracht 200 … tote russische Soldaten, Opfer des von Vladimir Putin nie erklärten Krieges gegen die Ukraine, gefallen im Donbass.
Die Gazeta ist auch im Donbass selbst fündig geworden. Auf einem Friedhof nahe bei Donezk an der „Allee der Ehre“ liegen fast 3500 Soldaten begraben, viele davon Russen, einige sicher auch Ukrainer. Sie werden alle неизвестный боец (unbekannte Kämpfer) genannt. Ganz oben sehen Sie Nummer 2983. Das war Kämpfer Nr. 1
Und so sieht 3488 aus
der unbekannte Kämpfer mit der höchsten Zahl, als Vlada vor zwei Wochen die „Allee der Ehre“ besucht hat.
Es gibt noch mehrere solcher Friedhöfe. In Russland sind zwei weitere bekannt. Der Friedhof in Rostow am Don ist aber mit Abstand der größte. Ausgewählt wurde er wohl, weil Rostow die russische Großstadt ist, die am nächsten am Donbass dranliegt und weil die paar Unbekannten auf dem riesigen Friedhof nicht auffallen. Sind ja nicht einmal 1%, von denen kein Name bleibt. Die anderen Friedhöfe wurden zu Sperrgebieten erklärt und dürfen nur von registrierten Personen betreten werden:
- Добавить кладбище могут только зарегистрированные пользователи!
Fotos von den Gräbern der Unbekannten sind verboten. Das ergibt sich aus Putins Ukas Nr. 273 vom 28. Mai 2015, über den nobody
noch am gleichen Tag 😎 und ausführlich am 29. Mai 2015 berichtet hat.
Das führt zu abenteuerlichen Tricks und Meldungen in den Medien des Putinismus. So meldete Privet Rostov am 19. Dezember 2015, dass Vandalen auf dem Nordfriedhof verhaftet wurden, nur um ein Foto der „Neuankömmlinge“ mit den Initialen «НМ» zeigen zu können.
Zum Schluss dieser totlangweiligen und -traurigen Geschichte noch drei Satelliten-Bilder, die mir von Hammervorschlag
zur Verfügung gestellt wurden und die zeigen, wie sich der Friedhof der Unbekannten von 2014 über 2015 bis 2016 entwickelt hat.
Jan Key sagte:
Demnach müsste die Zahl der gefallenen Russen weit über 6.0000 liegen.
Ein hocher Blutzoll, denn die Russen für ihren Diktator gezahlt haben!
n.nixdorff sagte:
Das ist noch lange nicht genug. 6.000 tote Soldaten kann Putins Apparat weglügen und -zensieren. Hängt man noch eine Null dran, wie @Jan Key es oben (aus Versehen oder voller Hoffnung) getan hat, wird es interessant.
andressen sagte:
Ich glaube die Definition von „dem Leben einen Sinn geben“ geht bei Menschen ziemlich weit auseinander. Gute Propaganda vorausgesetzt, denkt mancher, er hätte etwas ruhmreiches und sinnvolles getan.
Wie heißt es bei Hannes Wader:
„Ja auch dich haben sie schon genau so belogen, wie sie es mit uns heute immer noch tun.
Und du hast Ihnen alles gegeben: deine Kraft, deine Jugend, dein Leben.“
Und weil’s so traurig und auch schon so alt ist – die kleine Blume Hoffnung, nämlich, dass auch jüngere Künstler sich die Mühe geben, das zu singen und einem jüngeren Publikum vorzustellen:
Harro sagte:
Wow, warum liest man fast gar nichts dazu in den hiesigen Medien. Die Zahl ist erschreckend hoch…
rudir sagte:
Man sollte doch Aussenminister Lawrow um Aufklärung bitten , ob hier was verschwiegen und vertuscht wird.
extradry sagte:
machen wir uns nichts vor;.auch dass sind nicht bloß „Russen“, sondern auch Opfer Putins.
mrqu sagte:
Ohne irgendjemandem auf die Füße treten zu wollen, aber dieses Foto
muss am äußersten Westrand des Friedhofes gemacht worden sein, bei ca. 47.305800°, 39.690000°. Im Hintergrund des Fotos ist dieses runde Gebäude zu sehen, welches sich bei 47.305070°, 39.686150° befindet, also ungefähr 270 Meter vom Aufnahmeort entfernt.
Zum Vergleich:
Google Earth File:
***.file-upload.net/download-11314971/Rostov.kmz.html
Nobody sagte:
Das Foto „unbekannt“ ist gecropped. Das Original findest du bei der Gazeta
Das „Gebäude“ liegt außerhalb des Friedhofs. Rechts davon das Neubaugebiet. Hier die Yandex-Position