„Den vollständigen Artikel lesen Sie hier, für 45 Cent im digitalen Kiosk Blendle„, sagt mir der Tagesspiegel, als ich den Artikel „Pforzheim – wo die rechten Wähler wohnen“ anlese. Aha, macht der Tagesspiegel jetzt auch mit. Seit zehn Monaten sind die Käsköppe von Blendle jetzt am Start mit ihrem „Online-Kiosk„, oder „iTunes des Journalismus“ wie manche sagen. nobody
sagt das nicht, denn ich nutze iTunes nicht, kann das also nicht einschätzen. Was ich aber kann, ist rechnen und das will ich mal mit Blendle.

Auf den ersten Blick sieht das Blende-Angebot fair aus. Man kauft nicht eine ganze Zeitung, sondern nur den einen interessierenden Artikel. Gibt der User mit einzelnen Artikeln aus einer Zeitung mehr aus, als die gesamte Ausgabe kostet, dann wird nur den Preis für die Einzelausgabe vom Blendle-Konto abgebucht. Wer was aus einer Zeitung liest, bei der er schon ein Online-Abo hat, dessen Daten er bei Blendle hinterlegt hat, der wird künftig dieses Medium über Blendle lesen können, ohne das was von seinem Blendle-Konto abgebucht wird. Beim SPIEGEL funzt das schon.
Der Publizist gibt den Preis vor. Der schwankt zwischen 10 Cent und 1 Euro, maximal knapp 2 Euro. OK, nehmen wir das Beispiel aus dem Tagesspiegel, dass ich auf 50 Cent aufrunde, weil das leichter zu rechnen ist und dem arithmetischen Mittel des normalen Blendle-Artikels entspricht.
Was kostet die Einzelausgabe des Tagesspiegels aus Papier am Kiosk? Hab lange keinen mehr gekauft. Um die 2 Euro, glaube ich. Ist glaube ich billiger als Süddeutsche und FAZ mit je 2,40. Das wären dann 4 Artikel pro Ausgabe. OK, aber in welcher Ausgabe einer Tageszeitung finden Sie schon 4 Scoops. Zu 80% bestehen die Blätter außerhalb des Regionalteils aus Agenturmeldungen, die ich überall leicht abgewandelt kostenlos lesen kann und Radio gibt es auch noch, wo es mir sogar vorgelesen wird 😎 So will mir der Tagesspiegel letzten Freitag was darüber für 45 Cent verkaufen, wer in der Fußballprofiliga die größten Schauspieler sind, was mir persönlich am Arsch vorbeigeht, zumal der Hölzenbein eh den ewigen Oscar hat 😛
Dann sind dann noch ab und an gute Kommentare, aber die sind seltsamerweise fast immer kostenlos … nobody hat den Tagesspiegel nach „Blendle“ durchsucht. Ich lese ja viel. Meist diese Kommentare. Die „Nachrichten“ überfliege ich, vergleiche gleichlautende Meldungen über Google und Newstral (auch Käsköppe) und klick mir was raus. Ich vermute, so gehen die meisten News-Junkies vor. Das wird sich auch nicht durch Blendle ändern, jedenfalls dann nicht, wenn nicht alle Online-Medien am gleichen (Blendle-)Strang ziehen. Und dann kommt das Kartellamt und sagt: Ätsch!
Sich nur mit solchen News-Zwischenhändlern zu informieren, ohne kostenloses (Zusatz-)Angebot, das wäre auch zu teuer. Selbst wenn für den Agentur-Mist nur 10 Cent verlangt werden, ist man schnell über dem Preis einer Papierausgabe.
Die Anbieter selbst nageln sich mit Blendle ins Knie, denn Blendle zieht 30% vom Artikelpreis für sich ein. Um mit Blendle konkurrieren zu können, müssten Tagesspiegel & Co. als mehr als 30% billiger werden, denn sie können nicht den publikationsübergreifenden Service bieten.
Interessant ist dieser Service bei ausländischen Magazinen, die man gedruckt in einem kleinen Kaff wie Wesseling nicht bekommt. Da wird sich in Zukunft bei Blendle was tun, denn die wollen in die USA expandieren. Einige englische Medien sind bereits im Sortiment. Englisch kann jeder. Spannend wäre die Ausweitung des Angebots auf den asiatischen Raum z.B. mit übersetzten Ausgaben, also richtig übersetzt, nicht im Maschinen-Kauderwelsch. Aber das wird dann wohl zu teuer.
Fazit: Blendle scheint ein interessantes Angebot zu sein, bzw. zu werden, zumindest für den Konsumenten. Ob es den wirtschaftlichen Niedergang der Nachrichtenmedien stoppen kann, das wagt nobody
zu bezweifeln.
PS: Ich bekomme kein Geld von Blendle, bin nicht mal deren Kunde, habe mit nur ein paar Gedanken entsteißt.