Über 2300 Menschen sind an 9/11 in den Twin-Towers von New York gestorben, als erst American-Airlines-Flug 11 mit 92 Personen an Bord und danach United-Airlines-Flug 175 mit 60 normalen Insassen und den 5 Entführern sich in die Gebäude stürzten. Das und der geisteskranke Sportflieger in Frankfurt waren Anlass für das Luftsicherheitsgesetz. Dieses Luftsicherheitsgesetz hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 – teilweise für verfassungswidrig erklärt, nämlich soweit es die Möglichkeit zuließ, eine Katastrophe wie 9/11 durch Abschuss der zivilen Flugzeuge zu verhindern. Im dritten Leitsatz der Entscheidung heißt es:
Die Ermächtigung der Streitkräfte, gemäß § 14 Abs. 3 des Luftsicherheitsgesetzes durch unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ein Luftfahrzeug abzuschießen, das gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, ist mit dem Recht auf Leben nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar, soweit davon tatunbeteiligte Menschen an Bord des Luftfahrzeugs betroffen werden.
Ich habe damals dieses Entscheidung zähneknirschend und mit Bauchschmerzen geschluckt, schon deshalb, weil ich mir, wie wahrscheinlich auch die Karlsruher Richter, nicht vorstellen konnte, dass sich das … 9/11 … in Deutschland wiederholen könnte und auch deshalb, weil ein solcher Einsatz von Militär gegen Verkehrsflugzeuge bereits wegen der kurzen Reaktionszeit irgendwie theoretisch anmutete.
Das war vor neun Jahren. Vor gut fünf Wochen, am 24. März 2015, steuerte der geisteskranke Copilot Andreas Lubitz Germanwings-Flug 4U9525 bewusst gegen Felsen der französischen Alpen, um sich und 149 Menschen zu töten. Ich habe nun beides verknüpft, den Amok-Flug und 9/11 und mir vorzustellen versucht, wie es gewesen wäre, wenn der Pilot Patrick S. nicht kurz nach dem Start aufs Klo gegangen wäre, sondern kurz vor der Landung und sich so für den Copilot Andreas Lubitz die Chance eröffnet hätte, seinen eigenen Abgang mit noch mehr fremden Menschenleben zu garnieren, indem er in ein vollbesetztes Gebäude in Düsseldorf gesteuert wäre … 1500 statt 150 Tote. Rechtfertigt die abstrakte Menschenwürdegarantie es, die Rettung von 1350 Menschenleben zu unterlassen? Heute bin ich anderer Meinung, denn heute kann ich mir 9/11 in Deutschland vorstellen. Muss ja nicht Al Qaida sein. Ich wüsste gern, wie Herr Papier, der damalige Vorsitzende des ersten Senats des BVerfG heute darüber denkt.