Liebes Tagebuch!
Morgen in der Früh überfalle ich Russland. Der Führer hat es gestern so beschlossen. Eigentlich hat er es schon vor über 15 Jahren beschlossen, aber jetzt steht endlich der Angriffstermin fest und das angstvolle Warten hat ein Ende.
Die Russen scheinen was zu ahnen. Seit Tagen rödeln sie in Grenznähe an irgendwas, das zur Verteidigung dienen soll. Die werden sich wundern. Weihnachten feier ich in Moskau. Soll dort ja sehr schön sein …

Das hätte Erwin am Vorabend des Russlandfeldzuges in sein Tagebuch schreiben können, wenn er ein Tagebuch geführt hätte … hat er aber leider nicht, sondern alles in Kopf und Körper gespeichert und mit ins Grab genommen, was er an der Südfront überlebt hat.
Es gibt Verrückte, die das NATO-Manöver Anaconda für den Vorabend des Dritten Weltkrieges halten, der mit Barbarossa 2.0 gegen Russland beginnt. Da gibt es aber ein paar Millionen Unterschiede:
Anaconda war mit knapp 31.000 Soldaten angekündigt
Barbarossa war mit über 3.600.000 Soldaten unangekündigt.
Unangekündigt ginge heute auch kaum noch. Irgendein Honk würde auf Twitter oder Fuckbook Selfies von den Front und Kopien der Aufmarschpläne posten. Selbst vor 75 Jahren war Unternehmen Barbarossa 15 Monate vor Beginn bekannt. Im Januar 1940 hat der GRU (heute aus Presse, Funk und Krim besser bekannt als grüne Männlein 😎 ) Stalin davon erstmals informiert und die Einzelheiten dann am 29. Dezember 1940 vorgelegt. Vollpfosten Jupp hat es nicht geglaubt.
Heute ist es ähnlich, nur mit umgekehrten Vorzeichen. 200.000 aktive Heeres-Soldaten (Bodentruppen) warten an der russischen Westgrenze allein in den Kommandos West und Süd darauf, dass die NATO wieder näher rückt. Das Kommando Mitte (Samara) müsste eigentlich dazugerechnet werden, denn Teile davon liegen westlicher als etwa Pskow und es ist bezeichnend, dass im Donbass vor allem grüne Männlein aus dem Kommando Mitte eingesetzt wurden.
Wenn die NATO nicht von allein dem russischen Bären auf den Pelz rücken will, dann hilft Putin eben nach. Im pöhsen Westen ist es etwas untergegangen, aber Putin hat vergangene Woche in Petersburg wieder laut davon geträumt, Weißrussland Heim ins Reich zu holen . Nix Neues (Newsweek via Google-Cache – sehr kluge Analyse … ist ja auch von Keir Giles), baggert Vladdie den Lucky doch schon seit Jahren an, aber im sensibilisierten Belarus beobachtet man mit Sorge eine Veränderung im Ton. Putin nimmt weniger Rücksicht auf Lukaschenkos Befindlichkeiten. Vladdies Laberdoof wurde heute vor einer Woche in der Duma ganz deutlich:
Danach skizzierte Lawrow die wichtigsten Aufgaben der Außenpolitik. In Bezug auf Syrien sagte er, dass die Operation gegen die Terrorgruppierungen IS und Dschebhat an-Nusra die Schaffung eines islamistischen Aufmarschgebiets im Nahen Osten verhindert habe. In Bezug auf die Regionalpolitik sagte Lawrow, dass Russland die Revision der Vereinbarungen zu Transistrien und Berg-Karabach nicht zulassen, den Aufbau des Unionsstaates mit Weißrussland fortsetzen und eine effektive Arbeit der OVKS gewährleisten werde. (SPUTINKI)
Bei Putin muss man mehr zwischen den Zeilen lesen. Wenn Vladdie auf dem Wirtschaftsforum in Petersburg von der EAEU sprach, dann wurden in dem Zusammenhang immer nur Kasachstan oder Nasarbajew erwähnt und gelobt (einmal auch Matteo Renzi 😎 weil die Spaghettifresse ihm gegenüber saß), aber nie Belarus.
Gleiches gilt für die OVKS. So heißt jetzt das neue OKW
Aber das ist ein anderes Thema … hier nur der Hinweis darauf, dass Usbekistan sicherheitshalber schon mal aus dem OVKS ausgetreten ist und vorige Woche seine Grenzen dicht gemacht hat. Offiziell wegen der Gefahr des Einsickerns koranistischer Terroristen (SPUTINKI) … aber warum dann auch die Grenze zu Kasachstan?
Anyway … dass die NATO Russland dadurch erneut näher kommen wird, dass Russland sich Weißrussland wieder einverleibt, ist abzusehen und hat auch was mit der NATO zu tun … und der Geschichte des WWII.
Es sieht so aus, als habe der Sammler postsowjetischer Erde (aka Putin) bei seiner Mammutaufgabe, die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhundert zu revisionieren eingesehen, dass das Baltikum ein zu heißes Eisen ist. Shoigu und andere militante Russen-Mafiosi werden Vladdie klar gemacht haben, dass die von der NATO dort gespannten Stolperdrähte … denn mehr sind Speerspitzen und rotierende 5000 Mann nicht … ein ernsthaftes Problem darstellen könnten, das gelände- und vor allem wasserbedingt auch mit der

wiederbelebten 1. Panzerarmee (bisserl hochscrollen) und Humpels T-14 😎 nicht zu lösen ist. Und Stalins Fehler aus dem Hitler-Stalin-Pakt will man auch nicht wiederholen. Da hatte Juppy Depp für Addy das Baltikum freigeräumt, damit der dann Minsk in die Zange nehmen und schneller Leningrad aushungern kann.
Für Militärhistoriker und Strategen läuft gerade ein Film aber sowas von 1:1 rückwärts ab … first we take Minsk und dann sehen wir weiter. Generaloberst Franz Halder, der mit Abstand klügste strategische Kopf der Wehrmacht, hatte im Gegensatz zu nobodys
Vater ein Tagebuch und darin notierte er am 28. Januar 1941: „Barbarossa: Sinn nicht klar. Den Engländer treffen wir nicht. Unsere Wirtschaftsbasis wird nicht wesentlich besser. (Das) Risiko im Westen darf nicht unterschätzt werden. Möglich sogar, daß Italien nach Verlust seiner Kolonien zusammenbricht, und wir durch Spanien, Italien und Griechenland eine Südfront bekommen. Wenn wir dann gegen Rußland gebunden sind, wird die Lage weiter erschwert.“ (Band 2 Seite 261)
Hobbyhistoriker Vladdie hat „Halders Kriegstagebuch“ sicher verschlungen und erkannt: Umgekehrt wird ein Schuh daraus und wenn ich nur offiziell meine Iskander in den richtigen Abstand „На Берлин“ bringe.
8. Mai 1945
Liebes Tagebuch!
Mit Weihnachten in Moskau, das wird nix mehr. Der Krieg ist aus und ich kann statt des Kremls die Spitze vom Stephansdom durch das Loch in meinem Fuß anvisieren … lustisch, aber tut weh, mehr als die beiden Löcher im Rücken. Es geht das Gerücht um, dass die Russen nach Wien einrücken. Ich werde mich deshalb morgen weiter nach München schleppen und den Amis meine persönliche Kapitulation andienen für eine Handvoll Dollar … nee, ich nehme lieber Zigaretten.
PS: Ich habe Papis Tagebuch gestern angefangen zu schreiben, bin dann aber bei der Frage hängengeblieben, warum ich ihn nie gefragt habe, ob er Russen erschossen hat. Nachdem ich eine Nacht drüber geschlafen habe, lautet meine heutige Antwort: Ich hatte vor der Antwort Angst. Jeder Soldat hat vor der Antwort Angst. Wer will schon Sohn eines Mörders sein?