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Zum Abschluss … grosses Indianerehrenwort … meiner Ossi-Tirade anlässlich des Wiedervereinigungstages möchte ich allen Lesern einen Artikel von Prof. Richard Schröder in der FAZ ans Herz legen. Schröder ist selbst Ossi, ja noch schlimmer: Sachse 😯 und war SPD-Fraktionsvorsitzender in der frei gewählten Volkskammer der DDR.
Den Titel „Die Erfindung des Ostdeutschen“ möchte ich in dieser kurzen Zusammenfassung des langen Beitrags ändern in: „Die Geburtsstunde des Ossis“.
Schröder nennt es selbst „steile These“, aber vor dem Mauerfall gab es den Ossi, den Ostdeutschen noch gar nicht. Es gab, je nach Selbstverständnis,entweder Deutsche im geteilten Deutschland oder sozialistische Internationalisten im Sinne der zu Honis Zeiten erfundene Theorie von den zwei Nationen auf deutschem (!) Boden.
Wenn es nun Ostdeutsche gibt, dann muss man auch fragen, wer denn Wessi ist.
- Die meisten von ihnen [Aufbauhelfer] haben nunmehr den größeren Teil ihrer Berufstätigkeit im Osten verbracht. In der Leipziger Statistik scheinen sie aber lebenslang Westdeutsche zu bleiben. Einmal Wessi, immer Wessi. Dagegen haben offenbar die mehr als vier Millionen Ostdeutsche, die seit 1949 die DDR verlassen haben, ihren Status als Ostdeutsche damit verloren. Wenn sie in den Osten zurückkehrten, waren sie dennoch Westdeutsche. Tolle Logik.
Ich hätte gern meinen so früh verstorbenen Freund und Kollegen Arni gefragt, ob er sich als Wessi sieht, oder als Ossi von seinen Dresdner Mitbürgern angesehen wird, denn er ist diesen Weg vom Anwalt in Köln über die Treuhand zum Anwalt in Dresden gegangen, zurück zu den Wurzeln seiner Vorfahren.
Schröder zitiert oft die Studie „Wer beherrscht den Osten?“, die die FAZ leider nicht verlinkt. Das holt nobody
nach (PDF).
„Wer beherrscht den Osten?“ ist keine Fangfrage, wie Schröder meint, sondern Manipulation, denn sie „setzt voraus, dass es da zwei Völker gibt, von denen eines das andere beherrscht.“
Sie werden bei Schröder einiges findet, was im kleinen kosmos
auch zu lesen war, sogar den Gag, dass nicht jeder Ossi Millionär in den 28 Jahren geworden ist, dass der Schwabe Späth in Jena wie ein Heiliger verehrt wurde, dass es keine Wiedervereinigung, sondern ein Beitritt nach Art 23 GG war und so auch von der Mehrheit gewollt war, als am 18. März 1990 bei der freien Volkskammerwahl 68,9 Prozent der Wählerstimmen auf diejenigen entfielen, die den schnellen Beitritt wollten. Bündnis 90 und andere Zauderer, die erst eine neue DDR-Verfassung wollten, um danach auf Augenhöhe mit den Wessis zu verhandeln, bekamen 2,9%.
Die in der DDR fehlende Auseinandersetzung mit der Nazi-Zeit werden Sie bei Schröder auch finden:
- Denn ihre Faschismustheorie besagte: Die „Faschisten“ (das Wort „Nationalsozialismus“ vermied man) haben den Kommunismus bekämpft (der Antisemitismus der Nazis wurde zweitrangig), aber die Sowjetunion hat ihn besiegt. In der DDR wurde durch die Enteignung der Kapitalisten die sozialökonomische Grundlage des Faschismus endgültig vernichtet: „Wir stehen auf der Seite der Sieger der Geschichte, und die Nazis sind im Westen.“ Nazis sind demnach immer die anderen.
Und ich darf dranhängen, dass die Aufarbeitung des Stasi-Terrors auch nicht den zu erhoffenden Erfolg gebracht zu haben scheint.
Aber auch weniger bekannte Insider-Infos finden Sie bei Schröder, z.B. die „Auflösung“ des Kürzels DDR in „Der Dumme Rest“, als ein Bedauern, nicht auch „abgehaun“ zu sein „nach drüben“. Oder den kürzesten Einigungswitz. Der Ostdeutsche ruft begeistert: „Wir sind ein Volk“, der Westdeutsche antwortet mürrisch: „Wir auch.“