Gestern zweieinhalb Stunden beim Notar verbracht … Kaufvertrag begrunzen … war aber unterhaltsam, weil ich mich mal wieder richtig fetzen konnte. Danach habe ich mich mit der Kundin noch unterhalten über ihre neue Heimat. Sie weiß nur, dass es den Truppenübungsplatz Ohrdruf nicht mehr gibt. Vom Fulda Gap aka Thüringer Balkon weiß sie nix. So wird es vielen gehen, deshalb ein paar Infos aus erster Hand, nicht nur aus der braunen Kladde.
Bisserl was hab ich ja schon im menschlichen Faktor gepinselt und viel mehr weiß ich auch nicht, denn so ein kleiner Lolli bekommt nicht alles zu sehen, selbst wenn er „in vorderster Front“ steht.

Front, das war damals Wetzlar. Die BW wurde mal wieder reformiert (Heeresstruktur III) und die
13. PzGren Brigade gehörte nun zur Kampfgruppe B 5. Offiziell gehörte die 13. zur 5. Panzerdivision, aber inoffiziell sollte das 1972 von Vietnam nach Fulda verlegte Blackhorse Regiment beim Angriff auf Thüringen unterstützt werden 😯
OK, es war eher an einen präventiven Gegenangriff gedacht, nachdem 1972 der polnische Oberst Ryszard Kuklinski verraten hatte, dass die Sowjets unter dem Deckmantel riesiger Manöver einen Blitzangriff auf die BRD planten mit den Stoßrichtungen Hannover und Frankfurt.

Über die Zahlen der im Thüringer Balkon zusammengezogenen Truppen des Warschauer Paktes wurde heftig spekuliert. Dauerhaft standen ca. 70.000 Mann der Roten Armee in Thüringen, vor allem die 8. Gardearmee. Die Russen selbst haben diese Großeinheit mit 80.000 beziffert, aber das war maßlos übertrieben.
Genau wie die Angaben zum Oktobersturm, einem Großmanöver des Warschauer Pakts rund um Ohrdruf 1965. Da war von 200.000 Mann und mehr die Rede … waren aber keine 70.000 … anyway … die geltende Militärdoktrin der Vorwärtsverteidigung sah vor, dass im Falle eines Angriffs eine Frontbegradigung dergestalt vorgenommen wird, dass der Thüringer Balkon vom Gebiet der SBZ abgeschnitten wird und damit auch der Nachschub des Russenangriffs.
Dafür gab es mehrere Konzepte. Das aggressivste war Charly 4. Charly 4 hatte eine atomare Option.
Ende der 1960er trauten die Europäer nicht mehr dem strategischen Atomschirm der Amis … die Franzosen schon früher nicht, was zur Bildung der Force de frappe führte. Im West-Schland wurden Anfang der 1970er die taktischen Atomwaffen erneuert und verstärkt. Die Honest John wurde von der Lance ersetzt und die BW bekam W48 für ihre Panzerhaubitzen … natürlich nicht offiziell.
Offiziell lagen die Atomgranaten in der Obhut der Amis im Sondermunitionslager Alten-Buseck, aber gesichert bzw. verteidigt wurden sie von Wetzlar aus, genau wie die Honest John in Bellersdorf und zur Not auch die atomaren Nikes in Oedingen.
Selbst heute ist kaum bekannt, dass die BW im sogenannten Ernstfall atomar bestückte Honest John gehabt hätte (z.B. das direkt dem III. Korps unterstellte Raketenartilleriebataillon 52 in Gießen), mit denen Thüringen beschossen werden sollte. Das war Teil von Charly 4.
Diese Taktik war schwer umstritten, weil entgegen der damals veröffentlichten Meinung die pöhsen Russen im Kreml die Devise ausgegeben hatten, dass sie nie als erste Atomwaffen einsetzen werden, nicht mal taktische. Der sowjetische Erstschlag war immer eine Lüge.
Dieser Lüge wäre nobody
vor fast 45 Jahren zum Opfer gefallen. Ich war noch keine 4 Monate beim Bund, da wurde die 133 nach Schwarzenborn verlegt, um bisschen Richtung Tätära zu schießen … Entfernung ca. 35 km … zu weit für die BMK vom Marder (Reichweite keine 3 km). Das koaxial zur Bordmaschinenkanone eingebaute MG3 kommt sogar nur halb so weit, aber wenn man direkt vor der Mündung steht, dann reicht es.
Der ewige Knüllnebel hatte mal wieder zur Schießpause gezwungen … STOPFEN! … und in solchen Pausen musste das Rohr durchgezogen werden. Um das Rohr der BMK aus dem Bajonett entriegeln zu können, musste der Verschluss mit der Hydraulik nach hinten gezogen werden. Nach Wiedereinbau des Rohres wurde der dann per Hydraulikhebel wieder nach vorn gebracht. Vorher … so war das gedrillt … musste die arme Sau, die das Rohr im Bajonett verriegelt hat, einen Schritt zurücktreten und laut „Rohr frei“ rufen. Hat nobody
gemacht … und auf einmal … HALT! Das hab ich ja schon mal gepinselt in „Es gab mal Zeiten„.
Nur zwei Sachen sind nachzuliefern: Der Arsch von Stuffz, der den Waffenwahlschalter auf BMG gestellt hatte, hieß Winter und dass es knallen konnte, das war eigentlich meine Schuld, denn laut Vorschrift und Drill war bei Arbeiten an der BMK der Munitionsgurt vom MG über den Deckel zu legen …
vergessen.
Ejal gewäs … nix passiert … jedenfalls war Charly ein Driss, weil es von der bescheuerten Annahme ausging, dass die Russen bei ihrem Blitzangriff alles nach vorne werfen würden, sodass wir dann hinten spazieren gehen können und natürlich von den Ossis mit offenen Armen empfangen werden … Kalter Krieg halt.
Ein Anlass dafür, die ollen Kamellen aufzuwärmen, ist natürlich das russische Manöver in Sibirien mit fast 300.000 Mann (SPIEGEL), an dem sich auch der Chinamann beteiligt. Auch so eine Zahl … geteilt durch drei kommt hin. Aber 100.000 Mann reichen, um zu demonstrieren, was Vladdie hinkriegt, was die Amis nie auf die Reihe kriegen würden. Denn um den Orange in Chief geht es bei Wostok-2018.
PS: Hab noch einen alten Artikel aus der Thüringer Allgemeinen (PDF) gefunden zu dem Thema … der ist zwar noch online, aber hinter paywall.