nobody
hat das besagte OLG-D’dorf-Urteil dreimal gelesen und erst beim vierten Mal verstanden. Das liegt zum einen daran, dass es vom Aufbau dort zugeht wie Kraut und Rüben. Ständig wird zwischen den Zinsen der Bank und der Nutzungsentschädigung des Kunden hin und her gesprungen.
Dabei isses doch ganz simpel, wenn man die Spiegelbilderkentnis des BGH (Urteil vom 12. 7. 2016 – XI ZR 564/15) zugrunde legt.
- Die in beide Richtungen widerlegliche Vermutung knüpft normativ spiegelbildlich an die Regelungen an, die die von den Banken beanspruchbaren Verzugszinsen normieren.
Wenn die Bank in der Phase der Rückabwicklung sagen wir mal 3% p.a. an Zinsen erwirtschaften kann, dann kann das auch der Kunde. Also gilt für beide wechselseitigen Rückgewähransprüche ein Zinssatz von (spiegelbildlich) 3%.
Auch dazu fällt dem OLG Düsseldorf was ein:
- Der Gesetzgeber hat den Verzugszinssatz deshalb in § 497 Abs. 1 Satz 2 BGB in der zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung insoweit auf 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beschränkt. Ein niedrigeres Risiko korreliert im Geschäftsleben mit einer niedrigeren Renditeerwartung. Die Kläger können die vorliegend in der Immobilienfinanzierung tätige Beklagte aber nicht auf die Nutzung der von ihnen in diesem Rahmen geleisteten Zahlungen im Anlagebereich verweisen, sondern müssen sich mit dem begnügen, was für die Beklagte im Bereich der Immobilienfinanzierung zu generieren ist. Die Wertung des § 497 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. kommt daher vorliegend spiegelbildlich zur Anwendung und begründet die Vermutung, dass die beklagte Bank Nutzungen in Höhe von zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat. Die in beide Richtungen widerlegliche Vermutung ist unabhängig von der tatsächlichen Entwicklung am Zinsmarkt und wirkt sowohl zugunsten als auch zulasten beider Vertragsparteien (BGH, Urt. v. 12. Juli 2016, XI ZR 564/15, Rn. 58; insoweit in NJW 2016, 3512 ff. nicht abgedruckt). Danach bedarf das Verlangen einer Nutzungsentschädigung seitens des Rückgewährgläubigers nur insoweit eines weiter gehenden Vortrags, als eine Nutzungsentschädigung von mehr als 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begehrt wird.
Es gibt allerdings eine gesetzliche Abweichung vom Spiegelbild. Die betrifft aber nicht die Höhe des Zinssatzes, sondern nur das, was zu verzinsen ist. Das OLG D’dorf führt zutreffen aus:
- Zudem haben die Kläger nach §§ 357 BGB a. F., 346 Abs. 1 BGB Anspruch auf Herausgabe der aus den Zins- und Tilgungsleistungen gezogenen Nutzungen. Zwar werden durch die Zubilligung von Nutzungsersatz nicht nur für die Zins-, sondern auch für Tilgungsleistungen die gegenseitigen Verpflichtungen ungleichmäßig gestaltet und der Darlehensnehmer so gestellt, als habe er eine verzinsliche Wertanlage getätigt. Dies ändert indes nichts an der gesetzlichen Regelung, die von der Rechtsprechung nicht korrigiert werden kann (vgl. BGH NJW 2016, 2428 Rn. 20).
Wir müssen uns also nur noch mit der Höhe wechselseitigen Zinssätze beschäftigen. Dazu enthält das alte Recht, der zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltende § 497 Abs. 1 Satz 2 BGB, eine Vermutung:
- (1) [1] Soweit der Darlehensnehmer mit Zahlungen, die er auf Grund des Verbraucherdarlehensvertrags schuldet, in Verzug kommt, hat er den geschuldeten Betrag nach § 288 Abs. 1 zu verzinsen; dies gilt nicht für Immobiliardarlehensverträge. [2] Bei diesen Verträgen beträgt der Verzugszinssatz für das Jahr zweieinhalb Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. [3] Im Einzelfall kann der Darlehensgeber einen höheren oder der Darlehensnehmer einen niedrigeren Schaden nachweisen.
Zu diesem Nachweis gegen die Vermutung pinselt das OLG …
- Soweit die Beklagte der Vermutung mit Schriftsatz vom 16. Februar 2018 erstmals entgegentritt, genügt sie den Anforderungen an deren Widerlegung nicht. Meint die Bank, die mit den Leistungen gewirtschaftet hat, dem Verlangen nach Herausgabe von Nutzungen Aufwendungen entgegensetzen zu können, kann sie bezogen auf ein oder mehrere konkrete, mit den vom Rückgewährgläubiger erlangten Mitteln getätigte Aktivgeschäfte dartun und nachweisen, sie habe auf das konkrete Geschäft rückführbare Vermögenswerte geopfert, die nach Verrechnung einen Erlös von hier weniger als zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ergäben (BGH, Urt. v. 25. Apr. 2017, XI ZR 573/15, NJW 2017, 2104 Rn. 21). Verwendet die Bank die empfangenen Leistungen dazu, eigene Verpflichtungen zurückzuführen, zieht sie Nutzungen in Form eingesparter Schuldzinsen, die sie an den Rückgewährgläubiger herauszugeben hat und die sie – sofern geringer als die vermuteten Nutzungen – der Vermutung konkret entgegensetzen kann (BGH, a. a. O. Rn. 23). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Beklagten nicht. Vielmehr hat sie ausdrücklich vorgetragen, nicht mehr ermitteln zu können, wie die von den Klägern geleisteten Beträge tatsächlich investiert worden seien.
… und widerspricht sich gleich selbst:
- Im Übrigen wäre die durch § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB begründete Vermutung der Angemessenheit eines Gebrauchsvorteils in Höhe des Vertragszinses für den Zeitraum ab Widerruf schon aufgrund offenkundiger Tatsachen im Sinne des § 291 ZPO widerlegt. Der Vertragszins ist auch Gegenleistung für die langfristige Vertragssicherheit. Nach Widerruf besteht jedoch eine derartige Sicherheit für den Darlehensnehmer nicht mehr, weil er der jederzeitigen Rückforderung der Darlehensvaluta seitens der Bank ausgesetzt ist. Sobald die Bank sich entschließt, den Widerruf anzuerkennen, und die Erfüllung ihrer Rückgewährpflichten anbietet oder durch Aufrechnung erfüllt, hat der Verbraucher die Darlehensvaluta umgehend zurückzuführen. Auch insoweit tritt mit dem Widerruf eine Zäsur ein, die es nicht gestattet, auf den für ein 2010 langfristig vereinbartes Darlehen marktüblichen Zins zurückzugreifen, sondern es muss ab diesem Zeitpunkt auf die Marktüblichkeit jederzeit kündbarer oder jedenfalls nur kurzfristiger Darlehen abgestellt werden. Für derartige grundpfandrechtlich besicherte Darlehen beträgt der marktübliche Zins ebenfalls etwa 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. So weist die Zinsstatistik der Bundesbank, die eine offenkundige Tatsache darstellt, für besicherte Immobiliendarlehen mit ein- bis fünfjähriger Bindung derzeit sogar Zinssätze von nur 1,5 Prozent aus.
Die Statistik, die das OLG meint, finden Sie hier.
Wo wir schon mal bei offenkundigen Tatsachen sind, versuchen wir es auch gleich mit der Logik.
Mathe ist Ihnen ein Begriff und 1 + 1 = 3 oder 2 oder was dazwischen, je nach dem, wer lauter schreit. Das OLG Düsseldorf führt zur Richtigkeit der einen oder anderen Zinsberechnungsmethode aus:
- Von der Forderung der Beklagten über 71.064,95 Euro sind die als von der Beklagten gezogen zu vermutenden Nutzungen in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die von den Klägern erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen in Abzug zu bringen. Diese haben die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 17. Januar 2018 unter tabellarischer Darlegung des Darlehensverlaufs mit 5.505,46 Euro berechnet. Soweit die Beklagte diese Berechnung bestritten hat, ist sie den an eine Bank zu stellenden Anforderungen zur substantiierten Erwiderung nicht gerecht geworden. Die Beklagte hätte der klägerischen Berechnung eine eigene auf der Grundlage der von den Klägern verwandten, nach den vorstehenden Ausführungen zutreffenden Berechnungsparameter entgegenstellen müssen, was nicht geschehen ist. In Ermangelung eines substantiierten Bestreitens hat der Senat daher den von den Klägern ermittelten und im Übrigen plausiblen Wert zugrunde zu legen …
OK, 1 + 1 ist doch plausibel 3!
Hier muss nobody
mal ’ne Lanze für die Banken brechen: Es kommt nicht darauf an, was die eine oder andere Prozesspartei rechnerisch behauptet oder vorträgt, selbst dann nicht, wenn es mit Rechenwerk unterlegt ist.
Es gibt mindestens 5 verschiedene Zinsberechnungsmethoden und deshalb muss immer (!) ein Sachverständiger klären, wie hoch die wechselseitig zu verrechnenden Zinsbeträge sind.
Stattdessen greifen die Oberkotten auf die Webseite Zinsen berechnen zurück, ohne das Formelwerk dahinter zu kennen und … behauptet nobody
mal … zu verstehen. SO NICHT! Das allein ist die Revision wert.
Die aber hat das OLG D’dorf nicht zugelassen und zwar mit einer abenteuerlichen Begründung:
Kronzeuge der Düsseldorfer ist das Urteil des BGH vom 21. Februar 2017 – XI ZR 467/15, in dem wir Folgendes finden:
- Zugunsten der Klägerin streitet auch nicht der im Schadensrecht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, sofern eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen sei, könne der Kläger nicht hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens auf eine Leistungsklage verwiesen werden, sondern dürfe in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren (Senatsurteil vom 27. Mai 2008 – XI ZR 132/07, WM 2008, 1260 Rn. 51; BGH, Urteile vom 4. Dezember 1986 – III ZR 205/85, NVwZ 1987, 733, vom 21. Februar 1991 – III ZR 204/89, VersR 1991, 788 und vom 17. Juli 2009 – V ZR 254/08, NJW-RR 2010, 200 Rn. 11; Beschluss vom 6. März 2012 – VI ZR 167/11, r + s 2012, 461 Rn. 3).
Nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB zurückzugewähren sind die bis zum Zugang der Widerrufserklärung ausgetauschten Leistungen. Mit der Umwandlung des Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis tritt, was den Rechtsgrund der Ansprüche des Widerrufenden betrifft, eine Zäsur ein. Erbringt er danach Zins-und Tilgungsleistungen an den Darlehensgeber, richtet sich der Anspruch auf Rückgewähr nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, § 814 BGB (Senatsbeschluss vom 10. Januar 2017 – XI ZB 17/16), da die primären Leistungspflichten aus dem Verbraucherdarlehensvertrag entfallen sind. Damit ist die allein die Rechtsfolgen, nicht den Rechtsgrund betreffende schadensersatzrechtliche Rechtsprechung nicht übertragbar.
Die vom BGH postulierte „Zäsur“ ist ein alter Hut. Mit den von den Düsseldorfern entdeckten 2,5% über dem Basiszins hat das nix zu tun.
Zum Schluss noch ein Bonmot aus diesem BGH-Urteil:
- Eine Leistungsklage ist der Klägerin auch zumutbar.
Soll heißen: Der Bankkunde soll ausrechnen, was er der Bank noch schuldet, weil er ja rechnen kann … anders als der Richter, für den gilt: iudex non calculat … iudex habet calculator, oder Webseite.