nobody
hat versucht, sich mal schlau zu machen über die rechtlichen Aspekte der Altersbestimmung von MULFs MULFs (Minderjähriger unbegleiteter Flüchtling) unter Verwendung von Röntgentechnik und es scheint, dass ich mich mit meinem Schnellschuss in „Menschenwohl“ vergaloppiert habe.
Ausgangspunkt jeder Überlegung ist Art 2 Abs. 2 GG:
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
„Röntgenstrahlen wirken ionisierend, sie können lebende Zellen schädigen. Wenn auch die Strahlenbelastung durch eine Handaufnahme nicht sehr groß ist (ca. 0,1 µSv), besteht in der Wissenschaft Einigkeit darüber, dass es keinen Grenzwert gibt, unterhalb dessen ionisierende Strahlen unbedenklich wären“ (Dr. med. Winfrid Eisenberg, Arzt für Kinderheilkunde u. Jugendmedizin).
Also bedarf diese Art der Körperverletzung einer (einfach-)gesetzlichen Ermächtigung. Eine solche findet sich (wenn auch nicht nur) in § 25 der Röntgenverordnung. Die Vorschrift hat einen verrückten Inhalt:
(1) Röntgenstrahlung darf am Menschen nur in Ausübung der Heilkunde oder Zahnheilkunde, in der medizinischen Forschung, in sonstigen durch Gesetz vorgesehenen oder zugelassenen Fällen, zur Untersuchung nach Vorschriften des allgemeinen Arbeitsschutzes oder in den Fällen, in denen die Aufenthalts- oder Einwanderungsbestimmungen eines anderen Staates eine Röntgenaufnahme fordern, angewendet werden.
Aufgrund deutscher Aufenthalts- oder Einwanderungsbestimmungen darf also nicht nach dieser Verordnung geröntgt werden.
Im Asylgesetz steht auch was über das Röntgen:
§ 62 Gesundheitsuntersuchung
(1) Ausländer, die in einer Aufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen haben, sind verpflichtet, eine ärztliche Untersuchung auf übertragbare Krankheiten einschließlich einer Röntgenaufnahme der Atmungsorgane zu dulden.
Passt nicht, selbst wenn der MUFL in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt, denn es geht um Handknochen und nicht um den Brustkorb.
§ § 81a StPO deckt das Röntgen als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, aber der MUFL ist bei der Routine-Bestimmung seines Alters kein Beschuldigter.
Über die Krücke des § 62 SGB I geht es:
Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, soll sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sind.
Aber da steht soll und nicht muss, also ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten und die Behörde hat ein Ermessen.
München z.B. hält radiologische Untersuchungen ohne medizinische Indikation für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Betroffenen. Hamburg sieht das anders (OVG HH Beschl. v. 09.02.2011 – 4 Bs 9/11). Dem hat sich jetzt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) angeschlossen und am 18.08.2016 entschieden (Az: 12 CE 16.1570), dass gegebenenfalls auch eine Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine durchgeführt werden muss. Aber da hatte eine Somali gegen ihre Einschätzung als volljährig geklagt. Das ist dann so ähnlich, wie die Einwilligung des MUFL.
Außerdem gibt es noch eine Reihe sich widersprechender Entscheidungen aus Hamm, München, Berlin usw. die meist die Zulässigkeit des Röntgens ablehnen, auch im Rahmen der Entscheidung darüber, ob Vormundschaft für den MUFL angeordnet werden muss, weil die ZPO dafür keine Ermächtigung erteilt.
Das ist sicher richtig, aber alle genannten Gesetze und insbesondere die RöV sind vor der Migrationswelle zustande gekommen, die RöV zuletzt 2014 geändert worden. Da war das Phänomen „schmeiß den Pass wech und mach dich jünger“ noch nicht virulent.
Hilft all nix: § 25 Abs. 1 Röv muss wie folgt geändert werden:
Röntgenstrahlung darf am Menschen nur in Ausübung der Heilkunde oder Zahnheilkunde, in der medizinischen Forschung, in sonstigen durch Gesetz vorgesehenen oder zugelassenen Fällen, zur Untersuchung nach Vorschriften des allgemeinen Arbeitsschutzes oder in den Fällen des Aufenthalts- oder Einwanderungsrechts angewendet werden.