Warum wird manN oder frau Richter? Wieder eine schlechte Nacht ohne Antwort. nobody
weiß es nicht. Ich war nie Richter. Urteile habe ich geschrieben, wie das Referendare so tun (müssen), aber unterschreiben musste sie ein anderer Jurist. Genau! Vielleicht muss ich die Suche nach einer Antwort früher ansetzen: Warum wird man Jurist? Nein, ich sollte erst erklären, warum mich diese Fragen umtreiben, wo ich es doch hinter mir habe, Die offene Frage ist Folge des Urteils über Nadija Sawtschenko: 22 Jahre Lagerhaft.
Warum wird man Jurist? Ich kann es nicht nur von mir sagen, denn im Studium haben wir viel darüber gesprochen und uns auch später unter Kollegen darüber ausgetauscht, warum wir Juristen geworden sind, Anwalt und nicht Richter, oder umgekehrt.
Auf die letzte Frage, warum nicht Richter, hatte ich schnell eine Antwort. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Tag im Juridicum in Bonn erinnern. Da stehste mutterseelenallein als hessischer Provinzler zwischen den rheinischen Frohnaturen, die alle irgendwie gleich aussehen. Die da z.B.: oben mittelblonde Haare, die einen sehr guten und sehr teuren Friseur verraten, unten Blaue von Etienne Aigner mit dazu passendem Handtäschchen und in der Mitte eine Perlenkette über dem Seidenen von Hermès, le tricolore als Bluse, natürlich Seide und dann der Rock: mittelgraues Flanell mit der klassischen Kellerfalte … tja, nobody
kennt sich aus 😎 Ich verlink mal ein „Symbolfoto„, damit sich desorientierte Herren was unter „Kellerfalte“ vorstellen können.
Und dann das Parfüm … nein, es war das Eau de Toilette: von Chanel N°19 ❤ ❤ ❤ etwas zu dick aufgetragen, zum Glück, denn es ist die Nase, die nobody
durch die Damenwelt führt. Und meine Nase hat mich zum Kreis der Beliebigen geführt, in den ich mich einfach reingestellt habe, obwohl ich nicht dazugehörte. Die kannten sich alle vom Gymnasium, hatten zusammen Abitur gemacht und als höhere Töchter (und Söhne) von höheren Ministerialbeamten gemeinsam beschlossen, Jura zu studieren. Beatrice, die Tochter des Präsidenten des Bundes…trallala … Elke vom Staatssekretär Trallala und und und … und dann noch eine Trallala, denn die Namen gehen keinen was an. Und diese Trallala neben mir im Kreis fragt: „Was willst denn du hier?“ Weil ich das Gesprächsthema belauscht hatte, hatte ich die passend militärisch kurzkorrekte Antwort schon parat: Examen machen, Anwalt werden.
Diese Antwort hatte Mlle Trallala nicht erwartet. Trallala wollte mich nur herauskomplimentieren aus der geschlossenen Gesellschaft der kommenden Juristengeneration. War mir schon klar, aber als ich dann auf den mir ungewohnten rheinischen Singsang runter gugge und die Nase sehe … oder das, was dort sein sollte, wo andere eine Nase haben, da war mir klar: du bist reif 😛 Trallala ging es ähnlich, wie sie später beichtete: „Dieser arrogante Arsch … den krall ich mir“ … O-Ton Mlle Trallala. Tja, die Mädels hier sind schon sehr speziell.
Aus dem erlauchten Kreis der etwa 12 Verschworenen des ersten Tages hat übrigens außer nobody
nur noch BB das Examen geschafft. Die anderen haben das Handtuch geworfen, auch Mlle Trallala, aber die wollte ja nie. Jura war für sie, wie die meisten anderen nur Ausweichquartier, weil der Numerus clausus nicht fürs Traumstudium reichte. Mlle Trallala hat sich dann reingeklagt, ihren Traum verwirklicht und wurde Frau Dr. Dr. Trallala.
Auch diejenigen, die es nicht fertig gebracht haben, hatten eine Idee von Gerechtigkeit und wollten nicht nur wegen des Geldes Jurist werden. Richter wird man eh nicht wegen der in Deutschland eher bescheidenen Knete. Anwälte verdienen hier besser, aber das hat bei mir nicht den Ausschlag gegeben. Ich kann nicht neutral sein. Über den Wassern zu schweben, das liegt nobody
nicht. Ich will Partei ergreifen. Aber auch der Parteiische darf kein einseitiger Jurist sein. Gerechtigkeit muss alle streitenden Parteien befrieden, auch den (unterlegenen) Gegner zufrieden stellen, sonst hält der Friede nicht lange und der Streit wird bald umso größer. Außerdem will ich immer Recht behalten, also gewinnen, aber das ist wohl nix Ungewöhnliches.

Wenn ein Richter gewinnen will, verlieren Alle, nicht nur das Recht. Recht, nicht nur die Gesetze, ist dazu da, die Gesellschaft zusammen zu halten. Ohne Recht und Gesetz herrscht Anarchie und Anarchie kennt keine Gesellschaft. Wenn Richter Recht und Gesetz missachten, verliert die Gesellschaft. Das fängt schon lange vor der Rechtsbeugung an.
Diese Allgemeinplätze werden auch Leonid Stepanenko (Леонид Степаненко), Yevgenia Chernisch (Евгения Черныш) und Ali Haybullaev (Али Салахудинович Хайбулаев) während ihres Studiums gelernt haben, wenn es Rechtsphilosophie zu hören gab. (Links) Stepanenko, Chernisch und (ohne Bild) Haybullaev

sind die Namen der drei Richter, die das Urteil über Nadija gefällt haben. Dass es von zwei der drei Richter Bilder gibt, grenzt an ein Wunder, denn sie durften nicht geknipst werden. Bei einem unvorsichtigen Schwenk der offiziellen Gerichtssaal-Kamera kamen Stepanenko und Chernisch kurz ins Bild. Es sollte wohl vermieden werden, dass die Richter unter Druck gesetzt werden. Aber von wem unterdrückt?
Niemand wird gezwungen, Jurist zu werden. Niemand wird gezwungen als Jurist Richter zu werden. Und niemand darf Richter zu Urteilen zwingen. nobody
behauptet, auch Roland Freisler wurde zu seinen völkischen Bluturteilen nicht gezwungen. Er hatte Spaß daran, Menschen zu demütigen, zu quälen und zum Tode zu verurteilen. Freisler musste sich seine Urteile nicht beim GröFatzke abholen oder mit Adolf dem Eineiigen absprechen. Freisler wusste auch so, was Volx erwartet, was er dem Dritten Reich schuldig war und wen er rechtsverwegen tödlich zu verurteilen hatte.
Todesurteile gibt es in Russland nicht mehr. 25 Jahre GuLag sind für Frauen die Höchststrafe. Und Stepanenko ist kein Freisler, also ist er drei Jahre unter der Höchststrafe geblieben. Aber auch Stepanenko und seine Komplizen wissen, was sie Putin schulden, ohne sich bei ihm das Urteil abholen zu müssen, und sie wissen, dass sie sogar russisches Recht gebeugt haben. Mit Einzelheiten will ich hier nicht noch mehr langweilen. Nur das:
Wer Recht beugt, der macht Fehler. Auch das Gericht im kleinen russischen Donezk hat bei seinem Urteil einen dicken Schnitzer gebaut. Die 22 Jahre beginnen laut Urteil ab dem 30. Juni 2014. Das war der erste Tag der (offiziellen) U-Haft in Woronesch und die U-Haft wird angerechnet (Gazeta.ru). Nadija ist aber bereits in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 2014 nach Russland verschleppt. Das sagen nicht nur Nadija und ihre Anwälte und die russische Wiki, sondern so hat es am gleichen Tag auch der russische Sender NTV vermeldet und drei Wochen später auch offiziell sogar TASS.
Die Woche vom 23. bis 30. Juni 2014 wurde Nadija vom FSB illegal ohne Zugang zu einem Anwalt in einem Zimmer des Hotels „Jewro“ in Nowaja Usman gefangen gehalten und verhört. Das Urteil erwähnt die Zeit vom 23. bis 30. Juni nicht. Sie soll sich in der Zeit irgendwo in Russland rumgetrieben haben, um Anschläge auszukundschaften. Auch der Ort, an dem Nadija illegal die russische Grenze übertreten haben soll, wird im Urteil nicht genannt. Wenn man aber nicht weiß wo und wann, woher weiß man warum? Der illegale Grenzübertritt setzt Vorsatz voraus. Wer sich verläuft, bleibt straffrei. Über den Beweis des Vorsatzes steht in den 300 Urteilseiten nix.
Sie werden das für eine Lappalie halten angesichts 22 Jahre Lagerhaft, aber erst durch den illegalen Grenzübertritt konnte Nadija überhaupt in Russland der Prozess gemacht werden. Wenn offen zugegeben worden wäre, dass Nadija nach Russland verschleppt wurde, dann wäre Russland weder nach Völkerrecht noch nach russischen Gesetzen zuständig gewesen.
So greift ein Rädchen ins andere und die rechtsbeugenden Richter sind dabei nicht die kleinsten Rädchen. Leider wurde Roland Freisler kurz vor Kriegsende von einem Bombensplitter getötet. Ich würde mir sonst jeden Tag das Foto ansehen, wie der in Nürnberg gehängt wird und Abzüge würde ich an Leonid Stepanenko (Леонид Степаненко), Yevgenia Chernisch (Евгения Черныш) und Ali Haybullaev (Али Салахудинович Хайбулаев) schicken.