Am 16. Dezember 2014 habe ich hier erstmals über Putins Kriegswirtschaft gepinselt. Genau ein halbes Jahr danach, am 16. Juni 2015, habe ich in „Russland im Jahr 1 nach Putin“ geschrieben:
Ob wir es nun wahrhaben wollen oder nicht: Vladimir Putin hat Russland auf Kriegswirtschaft umgestellt. Was wir seit einigen Monaten in SPUTINKI-Schlagzeilen wie den obigen sehen und lesen, ist die Phase der wirtschaftlichen Mobilmachung, der Bereitstellung von Gütern wie u.a. Waffen, Munition und militärischer Ausrüstung für die folgende Phase der Eroberung von Territorien, die diesen Wahnsinn dann bezahlen müssen. Das bisschen Ukraine-Krieg ist nicht geeignet, die Kosten der Aufrüstung zu decken …
Am 21. August 2015 habe ich die Talfahrt des Rubels mit den Worten besenft:
ob nobody
das freut? Im Gegenteil, denn nun muss Putin seine seit ca. fünf Jahren laufende Kriegswirtschaft bald mit einem echten Krieg befeuern, wenn Russland nicht zusammenbrechen soll.
Nun ist er seit einer Woche da, der richtige Krieg, aber er ist noch etwas zu klein, um als Schwungrad für Putins Kriegswirtschaft zu taugen. Deshalb wird er in Kürze auf den Irak ausgedehnt. Aber weder Syrien noch der Irak werden die Kosten des Krieges bezahlen können. Wer soll also den Einsatz Russlands im Nahen Osten bezahlen?
Nein, ich habe den Begriff Kriegswirtschaft nicht missverstanden. Bei Putins Kriegswirtschaft geht es nicht nur im herkömmlichen Sinne darum, die russische Volkswirtschaft auf Krieg auszurichten, sondern auch darum, den Krieg zum Motor der Wirtschaft zu machen. Russland produziert Waffen und exportiert Rohstoffe. Davon lebt die russische Volkswirtschaft, nicht nur im Export. Beidem ist ein Krieg dienlich. Bei Waffen liegt es auf der Hand, beim Erdöl und -gas kommt man aber auch schnell auf den Trichter.
Es geht wieder einmal ums Öl. Weniger um die Kontrolle des syrischen und vor allem irakischen Öls, obwohl diese beiden Produzenten zusammen immerhin auf Platz 7 der Rangliste der Förderländer landen würden. Wichtiger ist ihre Lage am Mittelmeer. Irak am Mittelmeer? Ja, fast, warten Sie ab.

Russland kontrolliert die Energieversorung Europas, soweit es um russisches Erdgas geht. Russland ist der größte Gasexporteur der Welt und Deutschland der zweitgrößte Gasimporteur. Gewichtet nach Bevölkerungsanteil beziehen über 30% aller Europäer russisches Erdgas (Deutschland lag beim Gas mit 38,7% darüber – Handelsblatt). Nur Dänemark, Holland und Norwegen sind in Europa Selbstversorger. Einige Staaten, wie etwa Finnland und das Baltikum, sind zu 100% von russischem Gas abhängig.
Es war mal besser … für Russland. 1990 kamen über 55% des in Europa verbrauchten Gases aus Russland, 2010 nur noch 26,4%. Das liegt an Norwegen, das seinen Anteil von 13% (1990) auf 23,4% ausgebaut hat. Auch Qatar hat den Russen ein paar Prozent abgenommen. Seit vier Jahren steigt der russische Anteil wieder, jedenfalls in Deutschland, dem größten Abnehmer russischen Erdgases.
Beim Erdöl sieht es nicht viel besser aus. 2013 kamen 34,8 Prozent aus Russland. Auch dieser Wert steigt. 2000 waren es nur knapp 20%. Norwegen hat in dem Zeitraum 7% an Russland verloren und Saudi Arabien 5%, was einer Halbierung des saudischen Exports nach Europa entspricht.
Für einen ausgeglichenen Haushalt braucht Russland einen Ölpreis, der bei mindestens 115 Dollar pro Barrel (159 Liter) liegt (Tagesspiegel). Aber der Ölpreis erholt sich nicht. Er krebst immer noch unter 50 Dollar das Barrel herum. Also ist Russland vor einem Monat auf die Idee verstiegen, die Ölförderung zu drosseln (SPUTINKI). Diese Angebotsverknappung hat aber nix gebracht. Was kann man sonst noch tun?
Mit Ausnahme der in Rotterdam anlandenden Supertanker aus Saudi Arabien und den norwegischen Fördermengen strömt alles Erdöl und Erdgas nach Europa unter direkt oder mittelbar russischer Kontrolle. Am rechten Rand der europäischen Badewanne sollen neue „Kanäle“ gebaut werden, die Europa mit Öl versorgen. Auch die werden unter russischem Einfluss stehen. Es gibt nur zwei Ausnahmen und die haben mit dem Iran zu tun.
Nach dem Iran-Atom-Deal könnte der Iran bald wieder zu alter Größe beim Erdöl aufsteigen. 1990 kamen etwas über 10% Erdöl für Europa aus dem Iran. Jetzt sind es etwa 5%. Aber spannend wird es beim Erdgas. Iran hat die größten Erdgasfelder der Erde, aber exportiert nix. Warum? Weil der Iran gleichzeitig größter Erdgasverbraucher ist. Das soll sich ändern. Gleich zwei neue Pipelines sollen iranisches Erdgas nach Europa schaffen:

1. die Persian Pipeline (nicht zu verwechseln mit der Nabucco Pipeline), die den Iran an das türkische Pipelinenetz anbinden soll.
2. die Iran-Iraq-Syria pipeline, aka Freundschaft.

Letztere ist eine Idee Qatars, die Qatar-Turkey pipeline …

… die eigentlich in Syrien enden sollte, aber Syrienn wollte nicht. Der GUARDIAN schreibt 2013:
In 2009 – the same year former French foreign minister Dumas alleges the British began planning operations in Syria – Assad refused to sign a proposed agreement with Qatar that would run a pipeline from the latter’s North field, contiguous with Iran’s South Pars field, through Saudi Arabia, Jordan, Syria and on to Turkey, with a view to supply European markets – albeit crucially bypassing Russia. Assad’s rationale was „to protect the interests of [his] Russian ally, which is Europe’s top supplier of natural gas.“
Und nun schauen wir uns mal an, wie diese neuen Pipelines nach Berechnungen von BP die (russische) Gaswelt verändern würden:

Lassen Sie sich nicht davon täuschen, dass da noch „Nabucco“ steht. Die anderen Pipelines werden Ähnliches bewirken. Da ist Holland, nein Russland in Not. Wenn Russland die Preise schon nicht in die Höhe treiben kann, dann will Putin wenigstens verhindern, das billiges Gas aus der kaspischen Region und dem Iran die Preise weiter drückt. Sowas nennt nobody
dann Putins Kriegswirtschaft.