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Heribert Prantl versucht sich in Geschichte und fragt in der Süddeutschen: „Wer hat die Deutschen zum Richter bestellt?“ Die Frage sei „viele hundert Jahre alt“ und stamme „aus einer Zeit, als der deutsche Kaiser Konzilien nach Gutdünken einberief und dort Beschlüsse fassen ließ, wie sie ihm passten“, schreibt Prantl. Ein bisschen präziser, Herr Prantl. Die Frage lautete: „Wer hat denn die Deutschen zu Richtern über die Nationen bestellt“ und gestellt hat sie 1160 Johannes von Salisbury an Kaiser Barbarossa. Dabei ging es um die Papstwahl von Viktor IV. So, und was hat das mit dem Euro zu tun, Herr Prantl? Prantl erklärt:
- So weit zurück greift das zornige Bewusstsein von heute gar nicht; es greift zu Formeln wie der, dass Deutschland den Griechen einen „Versailler Vertrag“ aufgezwungen habe oder malt den deutschen Verhandlern ein Hitlerbärtchen … Die schwäbische Hausfrau ist außerhalb Deutschlands kein Sympathieträger, der Lehrer Lempel auch nicht.
Aha, der Euro und das Ergebnis von Brüssel haben also nix mit Barbarossa zu tun, sondern was mit Versailles und dem Hitlerbärtchen? Nein, aber …
- Deutschland hat Europa viel zu verdanken: Im europäischen Zusammenschluss blühte die Nachkriegs-Bundesrepublik auf, sie wurde zu einer Wirtschaftsmacht, sie wurde so attraktiv, dass die Deutschen im Osten sie für das viel bessere Deutschland hielten. Sie wurde so stark, dass sie die DDR zu sich heranzog und die einstigen Siegermächte diese Wiedervereinigung duldeten und dafür Pate standen. Die taten das, weil dieses neue Deutschland nicht das alte Deutschland war, sondern ein Deutschland in Europa.
Das verpflichtet; das muss so bleiben; das verlangt von Deutschland besondere europäische Sensibilität – mehr, als man jüngst in den Verhandlungen gezeigt hat.
Und was heißt das jetzt Herr Prantl? Grexit wollen sie ja nicht. Heißt das dann, dass Deutschland aus Dankbarkeit für alle Ewigkeit den Rest von Europa auszahlen muss? Damit wir weiter die lieben anderen, neuen Deutschen bleiben können? Die Antwort findet man in Prantls schizophrenem Gesülze weiter oben. Dort erinnert der von Logik befreite Prantl daran, dass Schäuble einst beteuert hat, dass das Gebilde Europa sich nicht dafür eigne, dass einer führt und die anderen folgen. Hätte Schäuble sich daran gehalten, gäbe es den weltweiten Zorn über Deutschland nicht, schreibt Prantl. Andererseits gäbe es dann womöglich noch immer kein Verhandlungsergebnis … schreibt Prantl auch.
Tja, das wäre die Lösung gewesen. Keine Einigung, kein Geld für Griechenland, GREXIT. Oder Prantls Alternative: Tsipras das Geld bedingungslos geben, fertisch! Für Prantl alles besser als eine deutsche Führung. Nur, wer sagt denn, dass Deutschland führt oder geführt hat oder überhaupt führen wollte. Prantl und nobody
waren nicht dabei, der italienische Finanzminister Pier Carlo Padoan schon und der sagt: Mit Italien, Frankreich und Zypern haben lediglich drei Staaten der Eurozone eine für Griechenland mildere Kompromiss-Vereinbarung befürwortet. Die übrigen 15 Staaten hätten die harte Position Deutschlands unterstützt … Er sei überrascht gewesen, wie viele Länder Deutschland hinter sich habe versammeln können (Tagesanzeiger/Schweiz). 15 … ein Chor, da muss einer dirigieren … führen ist ein Scheiß Begriff, Herr Prantl. Ohne Dirigent gibt das eine noch größere Kakophonie. Und wen lässt man für gewöhnlich dirigieren? Den mit der größten Erfahrung oder den Stärksten. Dummerweise ist Schäuble beides, der am längsten amtierende Minister Europas, Mit-Architekt des Euro und Vertreter der größten Volkswirtschaft in Europa. Da ist es nur natürlich, dass sich Sitzriesen wie Luxemburg u.a. hinter Schäubles breitem Rücken verstecken.
Und wer wollte Prantls weiche Tour? Wenn man mal die „Halb-Griechen“ aus Zypern weglässt, dann waren es die beiden größten Euro-Sorgenkinder Italien und Frankreich, die, wenn sie an die Reihe kommen würden, auf das „Vorbild“ Griechenland verwiesen und „Bailout“ geschrien hätten. Und was, Herr Prantl, hätte dann die europäische Portokasse gemacht? Kann Deutschland auch Frankreich und Italien über Wasser halten? Nein, kann es nicht! Ergo: Wehret den Anfängen, die übrigens keine Anfänge waren, sondern Irland, Spanien und Portugal haben die Ochsentour auch überstanden, nur Griechenland will nicht. Tja, klarer Fall von Selbstüberscätzung … so wie sie, Herr Prantl.
Du meintest weiter unten sicherlich:
„Kann Deutschland auch Frankreich und Italien über Wasser halten? Nein, kann es nicht!“ – die zähltest Du vorher auf.
Ey, DANKE!