Ich habe heute sehr lange Nutzer-Kommentare in Online-Medien wie SPIEGEL, ZEIT, FAZ, Süddeutsche usw. zum Thema Ukraine gelesen. Ich weiß nicht wie viele Kommentare und ich habe sie auch nicht ausgezählt nach Töpfchen und Kröpfchen, aber mehr als nur gefühlte 75% halten Putin die Stange, um nicht zu sagen die Lanze. Die Deutungshochheit darüber, wer die Schuld an der Eskalation zwischen Ost und West hat, haben eindeutig diejenigen errungen, die EU und USA den Schwarzen Peter in die Schuhe schieben. Das kann ich nicht verstehen und ich will es auch gar nicht verstehen, genauso wenig, wie ich mich an diesen „Diskussionen“ in den Foren beteilige. Ich lese, bewerte und lese weiter und meist ärgere ich mich darüber, was ich gelesen habe. Das hilft nicht weiter … nicht, dass ich weiterhelfen könnte, außer mir. Sinnvoller erscheint mir der Frage nachzugehen, warum das so ist, warum ich in der Minderheit bin?
Ich glaube unsere Politiker machen einen großen Fehler, wenn sie die Bildung der öffentlichen Meinung und die Diskussion über die Ukraine-Krise den Medien überlassen. Wenn es doch eine Gefahr gibt, die über die Krim hinausgeht (die IMHO längst abgeschrieben wurde), wenn es Truppen mehr als sonst an der Grenze zur Ukraine gibt – und ich bin ja nicht der einzige. der das behauptet – dann sollte Butter bei die Fische. USA, EU und NATO mögen ja vielleicht den Anfang vom Maidan und die Okkupation der Krim verschlafen haben, aber inzwischen dürfte doch jenseits des Dnjepr jeder Floh darauf abgehört werden, ob er vielleicht hustet. Man muss ja nicht alle Geheimnisse gleich auf einmal verraten, aber so ein bisschen Hose runter könnte nicht schaden. Z.B. alle Satelliten-Bilder auf den Tisch uns zwar nicht nur aktuelle, sondern auch alte, um vergleichen zu können, was sich verändert hat. Die MI-24-Hubschrauber beispielsweise stehen immer noch auf einem Feld bei Belgorod rum, wo sie bis vor einer Woche noch nicht standen und dort auch gar nicht hingehören. Sie sind nicht einmal richtig getarnt, sondern stehen zwischen ein paar lockeren Bäumen, für jeden weithin zu sehen.
Wenn eine kleine Fähre x-mal über die Straße von Kerch übersetzt, um neue T72 von Russland auf die Krim zu bringen, dann fällt das doch auf und dass diese Panzer gekommen sind, das zeigt sogar das russische Fernsehen. Angeblich ist es nur ein Tausch gegen die alten T64 der Ukraine, die auf der Krim standen, aber warum sind es viel mehr geworden und was will man überhaupt auf der Krim mit Panzern? Mit viel Schwung ins Schwarze Meer brettern? Die Krim kann nur vom Meer aus angegriffen werden. Das will zwar keiner, aber wenn, dann wäre es doch sinnvoller, die Pötte aus Murmansk nach Sewastopol zu verlegen, aber doch nicht Panzer. Das Festland der Ukraine ist zur Halbinsel Krim mit zwei schmalen Zungen verbunden, die zu verteidigen es nur eine handvoll Soldaten und Sprengstoff braucht. Die schätzungsweise über 70 neuen russischen Panzer machen dort überhaupt keinen Sinn.
Russland hat ja offiziell Truppen an der Grenze bei Rostow-am-Don wieder abgezogen und in die Kasernen bei Samara zurück beordert. Interessant ist aber die Begründung von Interfax dafür, warum diese Einheiten 1300 Kilometer fern der Heimat in den Sümpfen des Dnjepr standen: „Das russische Bataillon habe einen Vorstoß mit Kriegstechnik in unbekanntem Gebiet geübt“ (Thurgauer Zeitung – ich nehme bewusst eine Schweizer Quelle, damit nicht gleich die Fraktion der Putin-Versteher abwinkt). Tja, dann ist Russland wohl unbekanntes Gebiet oder wollte man üben ins unbekannte Donezk-Becken vorzustoßen?
Wenn man sich intensiver nicht nur mit den aktuellen Ereignissen befasst (ich könnte hier noch Seitenweise Hinweise auf Putins Intention pinseln), dann lässt sich aus meiner Sicht alles ganz simpel zusammenfassen: Gelegenheit macht Diebe. Putin hat die schwache Ukraine nach dem Maidan-Umsturz gesehen und nicht lange gefackelt. Jetzt, wo er weiß, wie einfach das ist und wie wenig der Westen entgegen zu setzen hat, kommt der Appetit beim Essen. Ok, was geht uns ein Drittel der Ukraine an, soll er doch bis zum Dnjepr vorrücken. Bloß nicht provozieren. Irgendwann wird er schon satt sein. Irrtum: Satt sind wir und besoffen vom Glück eines 70 Jahre haltenden Friedens in Europa und die Ukraine ist Europa. Europa reicht nicht nur geografisch bis zum Ural. Wer will denn vorhersehen, wann Putin genug hat. Solange dieser Flegel keine Gegenwehr zu befürchten hat, wird es nicht nur weiter pöbeln, sondern seinen revisionistischen und revanchistische Feuchtträumen frönen. Dass Putin unberechenbar geworden ist, müsste doch inzwischen dem letzten Depp klar geworden sein … NEIN? Stimmt, ist es nicht, weil unsere Regierung nicht informiert. Das ist ein großer Fehler.